Vor kurzem besuchte ich Autorreconstrucción: Social Tissue, eine Ausstellung des mexikanischen Künstlers Abraham Cruzvillegas im Kunsthaus Zürich. Im folgenden Blog Post berichte ich von meinen Erlebnissen in den drei Wochen, in denen die Ausstellung bereits läuft, und präsentiere meine vier persönlichen Highlights.
(English version here)

1. DIE WERKE
Der stark expressive Charakter von Cruzvillegas’ Werken ist bemerkenswert: Ich finde es toll, wie aus (lokal) gefundenen Materialien Kunstwerke entstehen: ein Fischernetz wird zu einer hängenden Skulptur, aus „Plunder“, alten Möbeln und Sportutensilien werden fahrende Figuren und Werke mit denen der Zuschauer interagieren kann: So kann man zum Beispiel auf einer „Paletten-Skulptur“ Skateboard fahren. Aus scheinbar „wertlosen“ Gegenständen entstehen visuell wundervolle und praktische neue Gegenstände, die mit den in Mexiko häufigen Farben Rosa und Grün versehen werden. Schönheit und Ästhetik kann man so in den unwahrscheinlichsten Gegenständen der Strasse entdecken. Diese Art des künstlerischen Schaffens erinnerte mich an das englische Künstler-Duo Swine Studio, mit denen ich vor einigen Monaten ein Interview führte.
Cruzvillegas’ Skulpturen sind von einem prekären Spannungsfeld geprägt und damit so widersprüchlich, wie der Künstler selbst sich sieht – und so widersprüchlich ist auch sein Publikum. Menschen aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen kommen in die Ausstellung und werden durch Cruzvillegas’ Werke auf einzigartige Weise verbunden.
2. DER WANDEL
Die Ausstellung hat einen experimentellen und wandelbaren Charakter. Ich war bei der Eröffnung dort; zwei Wochen später hatten sich die Installation und die Räumlichkeiten bereits verändert. Auf mich wirkten sie lebendiger, als würden sie durch die vielen Veranstaltungen „zum Leben erweckt“ und hätten eine „Zürcher Seele“ bekommen. Dies ist auch das Ziel der Ausstellung, deren Installation durch die vielen Veranstaltungen (Konzerte, Vorträge, Diskussionsrunden, Tanz-Abende oder Skate-Board-Happenings) und die lokale Zürcher Gemeinschaft geprägt werden soll und erst am Ende komplett erscheint. Auf einzigartige, inspirierende und kraftvolle Art schafft es der experimentelle und spielerische Charakter der Ausstellung, wichtige Themen unserer Zeit anzusprechen.
3. ANDY MEETS KURATORIN
Mirjam Varadinis ist die Kuratorin der Ausstellung und ich hatte das Glück, mich mit ihr zu treffen und in der „Werkstatt“ über die Ausstellung zu sprechen. Ihren Ansatz, etwas Neues, Frisches ins Kunsthaus zu bringen, finde ich sehr gelungen.

Wir haben uns zudem über das Werk „Blind Self Portrait“ unterhalten, das mich besonders angesprochen hat: Es besteht aus 298 Elementen in variablen Abmessungen in gelber Acrylfarbe auf Papier und ist entstanden, nachdem Cruzvillegas die Andy Warhol Diaries gelesen hatte. Mirjam Varadinis und ich sprachen ausserdem darüber, wie wunderbar es wäre, in naher Zukunft eine Warhol-Retrospektive-Ausstellung im Kunsthaus zu organisieren.
4. MIGRATION, UMWELT, WIEDERAUFBAU, HOFFNUNG
Unsere Umwelt und der Klimawandel sind ein wichtiges Thema von Cruzvillegas. Für mich persönlich sind ausserdem folgende Stichpunkte bedeutend, die ich in seinen Werken sehe: Die Hoffnung, die Suche nach einer Heimat und nach Geborgenheit, der Zusammenhalt, die Zugehörigkeit (Migration), der Austausch und Aufbau, das Festhalten an seinen Werten, Träume, ohne Kompromisse zu machen, Schönheit und Freude an einfachen Dingen des Lebens.
Und genau dies ist die Schönheit seiner Werke: Cruzvillegas hat den Grundstein für seine Skulpturen gelegt und lässt jedem die Freiheit zu einer eigenen Interpretation zu kommen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 25.03 und ich kann jedem empfehlen in sie einzutauchen und zu interagieren.
Danke fürs Lesen